Mit unserer neuen Kampagne möchten wir uns dafür stark machen, dass Frauen* sich nicht für andere verbiegen und einfach so sind wie sie sein wollen. Wir möchten echten Powerfrauen aus unserer Community eine Plattform geben, ihre Geschichte zu erzählen und so uns und andere Frauen* zu empowern und inspirieren. Offen und ehrlich - ganz nach dem Motto: #seiwieduwillst
Wir dürfen euch eine Powerfrau aus unserer Community vorstellen und freuen uns sehr darüber! Sie möchte zwar anonym bleiben, hat uns aber ein super inspirierendes Interview gegeben und davon erzählt wie sie zu dem mutigen Entschluss gekommen ist, nach 14 Jahren ihren Job zu kündigen, um 1 Jahr in ihrem Bus Elsbeth reisen und surfen zu gehen.
Beschreibe einmal deine Lebenssituation.
Vor kurzem habe ich nach 14 Jahren meinen festen Job gekündigt. Warum? Ich möchte ich 1 Jahr - 365 Tage lang surfen. Das ist schon lange ein Traum. Das gestaltet sich nun erstmal ein bisschen anders als geplant, da es mit Reisen verbunden ist.
Ist denn schon alles bereit für die Reise?
Es ist im Prinzip alles vorbereitet und ich könnte direkt losstarten. Allerdings finde ich das aktuell für mich ganz persönlich moralisch eher schwierig. Wenn unsere ganze Gesellschaft in einem gewaltigen Kraftakt versucht, dieser Pandemie irgendwie Einhalt zu gebieten - wozu ja auch Mobilitätseinschränkungen gehören - fühle ich mich nicht so wohl damit, mich selbst ohne wirklich triftigen Grund aus dieser Verantwortung heraus zu nehmen.
Ist die Reise für dich sozusagen eine Atempause vom Beruf?
Atempause würde ich es nicht nennen. Aber irgendwie ist jetzt eine Zeit des Umbruchs, in der ich sage: “Das war ein toller Weg bis hierher mit vielen Stationen. Ich habe wahnsinnig viel gelernt, viel Verantwortung bekommen und durfte mich weit entwickeln.“ Der einfache, biografisch logische Weg wäre gewesen, diesen Weg einfach weiter zu gehen. Aber ein sehr lauter, neugieriger Teil in mir hat gesagt: „Vielleicht ist es jetzt aber auch mal an der Zeit, eine ganz andere Richtung einzuschlagen.”
Und wie bist du dahin gekommen? Wie hat sich das herauskristallisiert, dass du die Veränderung brauchst/möchtest für dich. Wie war da der Prozess?
Es war ein längerer Prozess über mehrere Jahre. Ich hatte das Glück in meiner beruflichen Reise Raum und Werkzeuge an die Hand zu bekommen, mich selbst und meine Stärken besser kennen zu lernen. Es war also eine sehr schöne Entwicklungs-Atmosphäre. Daraus habe ich viel Input bekommen, der mir gezeigt hat, dass es Stärken gibt, die ich heute noch nicht so gut zum Zug kommen lassen kann. Und daraus wurde ein inneres Bedürfnis, irgendwie damit weiter zu gehen. Du hast dann entweder das Gefühl, diese Perspektive in deinem Arbeitsumfeld zu haben oder aber du sagst “Nee, ich glaube ich brauche jetzt einfach mal einen krassen Cut, damit ich wieder ganz offen denken kann.” Ich war nach der Uni mein ganzes Berufsleben lang bei einem Arbeitgeber beschäftigt und habe dort Tonnen von Erfahrungen gesammelt - und nun war es einfach an der Zeit das sichere Terrain zu verlassen.
Und wie war das dann für dich diesen Schritt zu gehen? Wie hat sich das angefühlt?
Befreiend! Nicht falsch verstehen; wenn das Arbeitsumfeld nicht super gewesen wäre, wäre ich nicht so lange da geblieben! Trotzdem habe ich so eine Art Befreiung im Sinne von Durchatmen - wie eine geistige Befreiung - gespürt. Und es ist auch ein Tritt in den Hintern. Man muss sich neu orientieren und kann sich nicht darauf ausruhen, sichere Perspektiven zu haben. Man muss sich Fragen stellen. Ich muss noch über 20 Jahre arbeiten; womit will ich die füllen? Ein kleines Grundeinkommen zu haben heißt ja nicht, dass ich nie wieder einen Beruf ausüben muss ... oder will!
War das bisher auch deine größte Herausforderung im Leben diesen Schritt zu gehen?
Nein, da gab es andere. Und so schwer fiel es mir letzten Endes auch gar nicht mehr. Sage ich zumindest heute. Irgendwann hatte ich die typischen Zweifel überwunden und die Chancen dahinter erkannt. Klar war der Weg dahin gedanklich manchmal etwas anstrengend, sowas kommt ja nicht von heute auf morgen. Für den eigenen Seelenfrieden muss man aber auch irgendwann mal die Kirche im Dorf lassen und einfach eine Entscheidung treffen. So banal das auch klingt.
Gleichzeitig tut es natürlich trotzdem auch ein bisschen weh. Ich werde viele meiner Kollege*innen vermissen und die tolle, fast familiäre Unternehmenskultur. Aber wir sind ja alle nicht aus der Welt.
Wusstest du schon von Anfang an, dass du 1 Jahr allein im Van reisen und surfen gehen willst?
Im Van zu reisen nicht; das ist eher ein Zufallsprodukt. Der „Vanlife“ Hype ist bisher erfolgreich an mir vorbei gegangen. Mein Bruder hat aber einen (ziemlich) alten Bus, den er bis jetzt selbst auch sehr lange genutzt hat. Nun hat er einen neuen und der alte steht noch vor der Tür. Ich dachte nur: Bäm! Damit kann ich ja autark rumkommen! Und ich habe quasi meine eigene Quarantänestation dabei. Wer weiß schon wie das New Normal beim Reisen irgendwann mal aussieht?
Surfen dagegen schon. Eine meiner besten Freundinnen hat mich vor Jahren darauf gebracht. Sie surfte bereits, wollte mit mir in den Urlaub fahren und hat gesagt “Das ist super, da musst du jetzt mal mit!” Seitdem kam ich davon nicht mehr so richtig los, allerdings ging das immer höchstens einmal im Jahr im Urlaub. Daher kann ich es leider auch überhaupt nicht gut. Ich entschuldige mich hiermit schonmal bei allen, denen ich unterwegs aus reiner Unfähigkeit eine Welle versaue! Surfen ist ja auch nicht mehr wirklich ein Nischensport, es wird manchmal gefährlich voll im Wasser.
Dennoch sind die meisten Momente im Wasser - egal ob es jetzt auf dem Brett gut läuft oder nicht - die freiesten Momente, die ich kenne. Sämtliche Gedanken und Probleme sind einfach weg; ich bin nur mit mir selbst, den Elementen und dem Brett beschäftigt. Für mich ist das ein Gefühl von Freiheit und Ruhe.
Das ist natürlich mit sehr viel Zeit mit sich allein verbunden? Hast du da ein bisschen Angst oder freust du dich da nur drauf?
Ich gehöre zu den glücklichen Menschen die ganz gut allein klarkommen. Es ist ja immer ein Unterschied zwischen allein sein und sich allein fühlen. In der Regel dauert es auch nicht lange, bis man Anschluss findet, wenn man alleine reist und das auch möchte. Wenn du mit mehreren Menschen oder zu zweit reist, bist du oft sehr auf deine Mitreisenden konzentriert. Das kann auch sehr schön sein. Aber wenn ich länger alleine reise, bin ich in der Regel auch offener für alles, was um mich herum passiert. Alles hat seine guten Seiten.
Natürlich habe ich trotzdem Respekt vor so dummen Situationen, die einem zwangsläufig passieren. Ich habe zum Beispiel keine Ahnung von Autos und der Bus ist wirklich schon sehr betagt. Wenn da was kaputt geht, bin ich erstmal aufgeschmissen. Und ich habe auch lernen müssen, dass man als Frau leider immer noch andere „Sicherheitsregeln“ beachten muss, als als Mann. Das sind Dinge, die schweben schon in meinem Hinterkopf herum. Aber letzten Endes bin ich nicht das erste Mal allein unterwegs und es gab bisher nichts, was ich dabei nicht lösen konnte. Es gab auch immer Menschen, die mir geholfen haben, wenn ich Hilfe brauchte. Man kann sich ja mit Händen und Füßen zum Glück meistens irgendwie verständigen.
Hast du noch einen Appell an alle, die überlegen, aber sich nicht trauen einen Cut zu machen oder sich eine Auszeit zu nehmen?
Nö. Es gibt immer so viele Appelle überall und meistens sind sie zu laut um sich selbst noch zu hören. Die Entscheidung für einen „Cut“ ist für schlaue Appelle auch viel zu individuell. Ich habe mir einfach die Frage gestellt, was denn eigentlich schlimmste ist was mir passieren könnte wenn ich das jetzt mache. Zum Glück habe ich dabei keine wirklich guten Argumente gefunden, es nicht zu tun.
Vielen lieben Dank für das wunderbare Interview!