MAI 25, 2022

Wie viel kostet eigentlich Frau* sein?

by Paula Gottschalk

Inhaltsverzeichnis

    Wie viel kostet eigentlich Frau* sein?

    Eine Frau* zu sein, kostet im ganzen Leben etwa 43.957 Euro – Geld, das Männer* nicht zahlen müssen. Biologische Geschlechtsmerkmale wie die Vulva, die weibliche Körperbehaarung und die Periode sind ein großer Kostenfaktor, der einfach so hingenommen und vor allem bewusst zu Geld gemacht wird. Frau*sein ist also teuer - mal ganz abgesehen von der Tabuisierung rund um das weibliche Geschlecht und den damit verbundenen Schuldgefühlen und alltäglichen Ungerechtigkeiten, mit denen Frauen* ohnehin zu kämpfen haben. Im folgenden Artikel geht es darum, wie sich der Preis der Weiblichkeit zusammensetzt und was man tun kann, um diesen zu senken.

    Gender Pricing und Pink Tax: Preisaufschlag für "Frauen"-Produkte

    Gender Pricing benennt das Phänomen, dass der Preis für Produkte und Dienstleistungen häufig am Geschlecht ausgerichtet wird. Vor allem bei Kosmetikartikeln werden Produkte für Frauen* teurer bepreist als für Männer*. Viele Hersteller bieten geschlechtsspezifische Produkte an, die sich lediglich in der Farbgebung unterscheiden. Ein prägnantes Beispiel dafür sind Rasierer: So kosten Einwegrasierer vom selben Hersteller in der pinken Ausführung 4,95 Euro und in der blauen 2,79 Euro. Damit ist die für Frauen* bestimmte pinke Variante desselben Produkts 44 Prozent teurer. Diese sogenannte Pink Tax oder auch Frauen*steuer ist quasi eine imaginäre Steuer für das weibliche Geschlecht. Noch gravierender ist der Preisunterschied bei elektronischen Artikeln wie bei der Digitalkamera IXUS 155 von Canon. Die Kamera kostet in Schwarz 134,99 Euro, in Pink ist sie fast 80 Euro teurer – auch als alle anderen Farbvarianten des Modells.

    Oftmals spielt die Farbe aber auch gar keine Rolle und Produkte oder auch Dienstleistungen für Frauen* sind einfach prinzipiell teurer: Beim Friseur bezahlen Frauen* durchschnittlich deutlich mehr für eine ähnliche Behandlung wie z.B. Waschen und Schneiden, Produkte wie Parfüms, Rasierschaum, Body-Lotion und andere Cremes, aber auch Kleidung, Spielzeuge oder Schmuck sind für Frauen* teurer als für Männer*. Auch bei der Reinigung kann es vorkommen, dass das Waschen und Bügeln eines Männer*hemdes günstiger ist, als derselbe Service für eine Damenbluse.

    Dass Frauen* für Körperpflege und entsprechende Pflegeprodukte mehr Geld ausgeben, zeigt die Marktforschung. Frauen* werden als das „schöne Geschlecht“ häufiger dazu verleitet, in Produkte für ihr Aussehen zu investieren. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ließ untersuchen, wie weit verbreitet eine solche geschlechtlich ausgerichtete Preisbestimmung ist. 28 Prozent kosten Produkte für Frauen* im Durchschnitt mehr als dieselben Artikel für Männer* – dies konnte bei 3,7 Prozent der ermittelten Produkte festgestellt werden. Laut Industrie orientieren sich diese Preisunterschiede an Angebot und Nachfrage und bestehen nicht aufgrund von diskriminierenden Strukturen. Doch auch wenn die Hersteller den Preisaufschlag einer Frauen*steuer nicht öffentlich zugeben, sind die Unterschiede nicht zu übersehen.

    In Kalifornien, New York und auch Österreich ist Gender Pricing verboten. Eine Steuer aufgrund des Geschlechts wird per Gesetz als Diskriminierung angesehen und Verkäufer:innen müssen mit einem Bußgeld rechnen, wenn eine Pink Tax bei Artikeln im Sortiment nachzuweisen ist. In Deutschland ist die Preisregulierung orientiert am Geschlecht rechtlich gesehen auch problematisch. Nach dem Antidiskriminierungsgesetz darf niemand wegen körperlicher Eigenheiten benachteiligt werden.

    Es gibt allerdings auch Gender Pricing zum Nachteil der Männer*: In Clubs müssen Männer* meistens tiefer in die Tasche greifen, ebenso beim Waxing im Kosmetikstudio oder beim Online-Dating. 

    Allgemein kann man jedoch sagen, dass Frauen* vom Gender Pricing deutlich mehr betroffen sind – allein schon aufgrund der Gender Pay Gap. Denn diese kommt auf die ohnehin schon ungerechten Preisgestaltung noch obendrauf: Frauen* verdienen in Deutschland immer noch bis zu 18% weniger als Männer* – und müssen sich zusätzlich noch teurere Produkte leisten, die nicht nur Luxusgüter sind.

    Die Kosten des Frau* seins

    Die erwähnten Produkte, die im Schnitt für Frauen* teurer sind als für Männer*, scheinen zunächst banal und nicht überlebensnotwendig zu sein. Doch es handelt sich hierbei um gesellschaftliche Strukturen, die gewisse Erwartungen an Frauen* und den weiblichen Körper stellen. Denn ein gepflegtes Aussehen, ein geschminktes Gesicht und ein rasierter Körper sind ein gesellschaftlicher Standard und Anspruch. Dadurch halten viele Frauen* es für ihre Pflicht, diesem Anspruch gerecht zu werden, indem sie gut aussehen und dafür entsprechend auch Geld ausgeben. Dass diese Erwartungen überhaupt bestehen, ist ohnehin zu kritisieren. Doch dass der Markt diese Machtverhältnisse ausnutzt, vergrößert den Graben der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern.  

    Was kostet Rasieren und Schminken?

    Wie schon erwähnt, sind Utensilien zum Rasieren für Frauen* deutlich teurer als für Männer*. Die meisten Menschen, die sich als Frau* identifizieren, enthaaren ihren gesamten Körper. Laut Statistiken rasieren sich rund 93% der Frauen* die Beine, während Männer* das zu 0% tun. Wenn man die Kosten fürs Rasieren auf ein Frauenleben hochrechnet, ergeben sich rund 1.500 Euro an Ausgaben für das bloße Rasieren mit Mehrweg-Klingen zuhause. Natürlich sollte sich systematisch etwas an dieser unfairen Preisgestaltung nach Geschlecht ändern. Doch solange dies nicht passiert, müssen Frauen* selbst Lösungen zum Geld sparen finden. Meistens sind diese Lösungen sogar umweltbewusst und damit nachhaltiger - immerhin etwas! Im Bezug auf die Rasur gibt es die Möglichkeit, von Einwegrasierern und Rasierschaum auf nachhaltigere Rasierpflegeprodukte wie auf Rasierhobel und unverpackte Rasierseife umzusteigen. Dies spart nicht nur eine Menge Geld, sondern auch Verpackungsmaterial!

    Schminken gehört bei vielen weiblich gelesenen Personen zum Alltag. Nicht selten wird es im Job sogar von ihnen erwartet. Dadurch sind Frauen* gezwungen, Geld für Make-Up auszugeben. Laut einer Studie von TNS Infratest geben Frauen* im Jahr ca. 300 Euro für Make-Up, Körperreinigung und Düfte aus. Hochgerechnet entstehen also Kosten von fast 19.000 Euro, die eine Frau* in ihrem Leben für Make-Up und Pflegeprodukte ausgibt. Auch hier ist es sinnvoll aus umwelttechnischen und Verträglichkeitsgründen zu Naturkosmetik zu greifen.

    Was kosten Verhütung, Sex und die Menstruation?

    Auch unsere Sexualität und die Verhütung sind ein relevanter Kostenfaktor. Weil es abgesehen vom Kondom kaum Verhütungsmethoden für den Mann* gibt, ist Verhütung leider oftmals noch Frauensache. Ein Großteil der Gynäkolog*innen-Besuche sowie die Kosten für eine Geburt werden zum Glück von den Krankenkassen übernommen. Viele Verhütungsmittel müssen Frauen* jedoch selbst zahlen. Auch die Pille wird nur bis zum 20. Lebensjahr von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen – danach kostet sie zwischen 6 und 12 Euro im Monat. Auch hier entstehen also relevante Kosten, die an der Frau* hängen bleiben. Sofern man in einer Partnerschaft lebt, sollten sich beide Seiten gleichermaßen an der Verhütung beteiligen und die Kosten fair aufteilen.

    Die Kosten für Menstruationsartikel sind spätestens mit der Veränderung des Steuersatzes auf Periodenprodukte seit 2020 ein aktuelles Thema. Mit weiblichen Geschlechtsorganen geboren zu werden, sowie monatlich zu bluten, sucht sich schließlich niemand aus. Bis zum 01.01.2020 wurden Menstruationsartikel noch mit dem Höchststeuersatz von 19% besteuert, jetzt sind es immerhin nur noch 7% und Tampons, Binden & Co. damit zumindest keine Luxusgüter mehr. Trotzdem können sich viele Betroffene keine Periodenprodukte in dem Umfang leisten, den die Monatsblutung erfordert. Dabei spricht man von Periodenarmut. Deswegen setzen sich immer mehr Unternehmen für die kostenfreie Bereitstellung von Periodenprodukten ein. Denn hochgerechnet kostet die Periode im ganzen Leben bis zu 20.000 Euro. Solange frau für alle nötigen Produkte rund um die Periode noch bezahlen muss, empfiehlt sich auch hier, auf nachhaltige Zero Waste Produkte zu setzen. Mit der Menstruationstasse zum Beispiel kann frau Einwegprodukte wie Tampons und Binden sparen und langfristig gesehen weniger Geld für Periodenprodukte ausgeben. Ebenso empfehlen wir Periodenunterwäsche, die ebenfalls immer wieder verwendet werden kann und eine Menge Müll spart! Menstruationsunterwäsche ist eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Periodenprodukten, die in der Anschaffung zunächst etwas mehr kosten, auf lange Sicht jedoch Geld sparen.

    Gegen Gender Pricing und für Gleichberechtigung

    Die monatlichen Ausgaben für sämtliche Produkte rund ums Frau* sein sind teuer und nicht fair. Es gibt einige Länder, die in dieser Hinsicht fortschrittlich, bzw. besser gesagt unserer heutigen Zeit angemessen agieren. Kenia, Kanada und Indien erheben z.B. keine Steuer auf Tampons und Co. und in Schottland gibt es Periodenprodukte mittlerweile kostenfrei an öffentlichen Orten. Doch solange dies nicht auch in Deutschland der Fall ist, kannst du mit nachhaltigen Pflegeprodukten und Zero Waste Hygieneartikeln langfristig Geld sparen und gleichzeitig der Umwelt etwas Gutes tun. Natürlich ist es keine endgültige Lösung, einfach auf andere Produkte umzusteigen. Die Verantwortung liegt in der Politik und auch in der Wirtschaft, Dienstleistungsbranche und im Marketing, dass Preise nicht nach Geschlecht berechnet werden und sich auch in diesem Bereich für Gleichberechtigung eingesetzt wird. Man kann auch versuchen im Kleinen einen Beitrag zur Bekämpfung des Gender Piercings zu leisten, indem man auf das Thema aufmerksam macht oder sich beispielsweise für die Bereitstellung kostenloser Periodenprodukte am Arbeitsplatz oder in öffentlichen Räumen einsetzt.