Behaarte Frauen? Lass doch wachsen!
Auch Frauen* haben Haare - und das nicht nur auf dem Kopf, sondern auch an Armen, Beinen, im Intimbereich und an anderen Körperstellen. In unserer Gesellschaft ist insbesondere bei Frauen* die Körperbehaarung ein Tabu und so werden behaarte Frauen* oft als “unweiblich” dargestellt. Das ist natürlich totaler Quatsch. Aber wie kam es überhaupt dazu und was hat die Körperbehaarung eigentlich für eine Funktion?
Pubertät – die ersten Haare sprießen
Mit Beginn der Pubertät fängt auch die Körperbehaarung an, zuzunehmen - besonders mit den sogenannten “Schamhaaren”. Aber auch die Körperbehaarung an anderen Körperstellen nimmt zu - an den Beinen etwa oder unter den Achseln. Während wir uns im Alter von 11 Jahren meist noch über die ersten Zeichen des Erwachsenwerdens gefreut haben wurde uns schnell klar, dass mit Körperbehaarung ganz schön viele gesellschaftliche Tabus verbunden sind. Besonders Mädchen* und Frauen* können das Gefühl bekommen, dass es nur eine “richtige” Art gibt, die Körperbehaarung zu tragen – und zwar gar nicht.
Was machen die Haare überhaupt da?
Beim Kampf gegen die Körperhaare machen wir uns normalerweise keine Gedanken darüber, warum wir an manchen Stellen mehr Haare haben als an anderen. Dabei haben oder hatten diese eine Funktion - ist das rasieren also sogar schädlich und wir würden die Haare eigentlich brauchen?
Unsere Körperbehaarung hat verschiedene Aufgaben. Die Wimpern und Härchen in der Nase schützen diese empfindlichen Stellen vor Fremdkörpern und Sonnenstrahlen. Unser Haupthaar schützt den Kopf ebenso vor UV-Strahlen und die Achselhaare halten die Haarkanäle offen, damit Talg abfließen kann und fangen Schweißtropfen auf. Das Achselhaare den Schweißgeruch verstärken, stimmt übrigens nur bedingt - Schweiß an sich ist geruchsneutral. Erst wenn Bakterien Zeit haben, diesen zu zersetzen, beginnt es zu riechen – und zwar unabhängig davon ob du dich rasierst oder nicht. Die Wärmefunktion hat unsere Körperbehaarung mittlerweile verloren, denn diese Rolle hat schon lange unsere Kleidung übernommen.
Die haarlose Frau*: Nur ein Schönheitsideal
Mode kommt und geht, dass wissen wir alle. Aber wenn Frauen* in der Werbung für Rasierer nur glatte Körper und keine Haare in die Kamera halten, wird schnell klar, wie groß das Tabu überhaupt ist. Zusätzlich wird schnell deutlich, wie viel Aufmerksamkeit jemandem zu Teil wird, der auf Instragram seine unrasierte Achsel in die Kamera hält – Befürworter*innen findet das leider nur selten. Behaarung bei Frauen* geht anscheinend gar nicht. Aber warum ist das so?
Zunächst ist die Aufrechterhaltung dieses Ideals eine Goldgrube für die Kosmetikindustrie. Tägliches rasieren aller möglichen Körperstellen geht mit der Zeit ganz schön ins Geld. Geld, das die Schönheitsindustrie daran verdient, dass wir glauben überall haarlos sein zu müssen. Natürlich ist es vollkommen in Ordnung sich zu rasieren, jede Person kann das halten, wie sie will. Das Problem fängt da an, wo wir nicht mehr wissen, ob wir uns wirklich rasieren wollen, oder uns der Gedanke von glatter Haut so ansozialisiert wurde, dass wir denken es wäre unsere eigene Entscheidung. Glücklicherweise gibt es mittlerweile viele Frauen*, die sich nichts mehr aus dem Schönheitsideal machen und so langsam anfangen, einen Wandel anzustoßen.
Sind behaarte Frauen* weniger “weiblich”?
Das Können wir schnell beantworten – NEIN! Viel Körperbehaarung gilt gesellschaftlich allerdings oft als männlich bzw. als nicht oder weniger weiblich. Dass starke Körperbehaarung als ein eher männliches* Attribut wahrgenommen wird liegt wahrscheinlich daran, dass Männer* im Durchschnitt stärker behaart sind als Frauen*. Die Betonung liegt hier auf Durchschnitt, denn es gibt durchaus auch stark behaarte Frauen* und sehr gering behaarte Männer*. Die Frage ist also eher, warum scheinbar männliche Attribute bei Frauen* oft als negativ gelten. Das ist nicht nur bei Haaren so, das lässt sich auch auf andere Attribute übertragen. Dazu zählen zum Beispiel Ehrgeiz, Risikobereitschaft und ein bestimmtes Auftreten. In der Psychologie gilt es schon lange als belegt, dass die Unterschiede innerhalb von Männer*gruppen bzw. Frauen*gruppen sowieso größer sind als zwischen den beiden Geschlechtern. Viele dieser Attribute werden also gesellschaftlich konstruiert und reproduziert und das bedingt einen wirtschaftlichen Vorteil für die Schönheitsindustrie.
Geht auch andersrum – Feminist*Innen dürfen sich auch rasieren!
Noch etwas ist super wichtig zu dem Thema und wird im öffentlichen Diskurs immer wieder verdreht und merkwürdig kommuniziert. Behaarte Frauen* sind nicht automatisch Feminist*innen noch ist es Feminist*innen verboten sich zu rasieren. Das einzige, bei dem sich die beiden Themen überlappen ist, dass wahre Feminist*innen anderen die Wahl lassen ob, wie und wo sich jemand rasieren möchte. Wichtig ist dabei nur, sich mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben und sich ehrlich zu fragen: Was gefällt mir persönlich eigentlich am besten? Selbstverständlich kann man in einer Partnerschaft die Vorlieben des anderen mit berücksichtigen, wenn einem das nichts aus macht! Im Idealfall nehmen dann auch beide Seiten aufeinander Rücksicht. Warum werden z.B. unrasierte Achseln häufig mit Feminismus in Verbindung gebracht? Für manche ist das Zurschaustellen ihrer unrasierten Achseln und Beine in der Öffentlichkeit eine Möglichkeit, mit denen vom Patriarchat auferlegten Schönheitsidealen zu brechen. Dies soll zeigen, dass es auch alternative Schönheitsideale gibt.
Fazit: Rasier' doch was du willst
Und nun? Rasieren oder lieber nicht? Genau diese Entscheidung sollte jedem selbst überlassen sein. Wenn du dich wohler damit fühlst, alles immer komplett glatt zu rasieren, dann solltest du das auch so machen - andersrum natürlich genauso. Das ist jedoch leichter gesagt, als getan - denn gesellschaftliche Ideale und dumme Sprüche verschwinden nicht so einfach. Daher ist es immer gut, solche Themen zu diskutieren. Es muss bei vielen Themen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, aber leider oft Vorreiter*Innen geben, die den Mut haben, hinter ihren Entscheidungen zu stehen und damit Tabus zu brechen. Wichtig ist am Ende aber, dass du dich damit wohl fühlst und dir deine Wahl nicht von außen aufzwingen lässt.